In den Schuhen des Fischers – Macht, Moral und ein Funken Gnade

Es gibt Filme, die wirken mit der Wucht einer historischen Chronik.
In den Schuhen des Fischers gehört zweifellos dazu – ein Werk, das zugleich politisches Gleichnis, spirituelles Drama und leise Anklage ist.
Michael Anderson verfilmte 1968 Morris Wests Roman zu einer Zeit, in der die Welt zwischen Ideologien, Ängsten und der Hoffnung auf Versöhnung oszillierte.
Heute, über fünf Jahrzehnte später, wirkt der Film in seiner Ernsthaftigkeit beinahe aus der Zeit gefallen – und gerade das macht ihn so notwendig.

Anthony Quinn spielt Kiril Lakota, einen aus sibirischer Haft entlassenen Erzbischof, der gegen seinen Willen zum Papst gewählt wird.
Was nach einem kirchlichen Kammerspiel klingt, entfaltet sich als tiefes Nachdenken über Macht, Verantwortung und Menschlichkeit.
Quinns Lakota ist kein Heilsbringer, sondern ein Mensch, der unter der Last seines Glaubens fast zerbricht.
Anderson inszeniert das mit einer fast dokumentarischen Nüchternheit: lange Einstellungen, leise Dialoge, kaum Musik.
Selbst die pompösen Rituale des Vatikans verlieren hier jede triumphale Note – sie wirken wie das, was sie oft sind: schwer, erstarrt und doch voller Sehnsucht nach Bedeutung.

Quinn trägt den Film mit einer stillen, körperlichen Präsenz, die man heute kaum noch sieht.
Er spielt Lakota nicht als Figur, sondern als Zustand – zerrissen zwischen Demut und Verantwortung, zwischen der Sehnsucht nach Frieden und der Erkenntnis, dass er ihn nie ganz erreichen wird.
Seine Gestik bleibt sparsam, sein Blick verrät mehr als jedes Wort.
Es ist die Art von Schauspiel, die Vertrauen in das Schweigen hat.

Oskar Werner als Pater Telemond ist der intellektuelle Gegenpol zu Quinns Papst – ein Mann, der glaubt, die Wahrheit sei nur durch Zweifel zu erreichen.
Werner spielt ihn mit jener nervösen Eleganz, die schon seine Rollen in Fahrenheit 451 oder Das Narrenschiff ausgezeichnet hat: brillant, sensibel, immer ein wenig entrückt.
Telemond ist Theologe, Mystiker, Wissenschaftler – und Ketzer aus Liebe zum Glauben.
In ihm spiegelt sich das, was Lakota zu vermeiden versucht: das Zerbrechen an der eigenen Überzeugung.

Gerade die Verbindung zwischen Lakota und Telemond ist der emotionale Kern des Films.
Beide Männer suchen nach Gott – der eine im Handeln, der andere im Denken.
Was sie eint, ist die Einsamkeit, die diese Suche mit sich bringt.
In ihren Gesprächen, die zu den stärksten Momenten des Films gehören, geht es nicht um Dogmen, sondern um das Menschsein im Angesicht der Wahrheit.
Wenn Telemond fällt, innerlich und körperlich, bleibt Lakota allein zurück – und erkennt, dass Glauben ohne Zweifel keine Gnade kennt.

Der Film entstand in einer Epoche, in der das Papsttum noch Symbol einer unerschütterlichen moralischen Ordnung war – oder es zumindest sein wollte.
Doch In den Schuhen des Fischers stellt genau das in Frage.
Was passiert, wenn der Vertreter Gottes auf Erden erkennt, dass Macht und Gnade sich selten vertragen?
Lakota verzichtet auf die politischen Spiele seiner Berater und versucht, die Kirche als Ort der Verantwortung zu begreifen – nicht der Herrschaft.
Dass er dabei mit der Weltpolitik kollidiert, ist keine theologische Metapher, sondern bittere Realität: ein kalter Krieg zwischen Glauben, Hunger und Ideologien.

Besonders bemerkenswert ist, wie sehr der Film seiner Zeit voraus war.
Die finale Geste – ein Papst, der die Reichtümer des Vatikans verschenkt, um den Hunger in der Welt zu lindern – wirkt heute fast radikal.
Anderson und Quinn zeichnen kein Heiligenbild, sondern ein zutiefst menschliches: einen Mann, der das Richtige tut, obwohl er weiß, dass es zu spät sein könnte.

In den Schuhen des Fischers ist ein Film, der nicht laut wird, um gehört zu werden.
Er vertraut darauf, dass Stille stärker sein kann als Pathos.
Und wenn Lakota am Ende über Rom blickt, erschöpft und entwaffnet, dann sieht man in seinen Augen jene seltene Form von Glauben, die nichts fordert und alles gibt.

Ein Film über Demut in Zeiten der Hybris.
Und einer jener seltenen Momente, in denen das Kino den Spiegel nicht vorhält, sondern ihn senkt – aus Respekt vor dem, was er zeigt.

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Author: -th-

Jahrgang 1976, Musiker, Mentalist und Autor mit ausgeprägter Neigung zu sinnlosen Fakten und sinnvollen Meinungen. Lebt in Köln, ist aber keiner von dort – was ihm die Stadt erstaunlich wenig übelnimmt. Unverheiratet, aber in einer festen Beziehung mit Film, Serie und Hörspiel. Wenn er nicht auf Bühnen steht oder in Tastaturen hämmert, schwafelt er über Kabarett, alte TV-Schätze und die Welt im Allgemeinen – vorzugsweise bei einem gut gelaunten Kölsch. Hält sich selbst für witziger, als er tatsächlich ist, findet das aber völlig in Ordnung.

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