Der folgende Artikel stammt ursprünglich aus meinem Blog und wurde vor über zehn Jahren veröffentlicht.
Der Text ist mittlerweile selbst ein kleines Stück Internetgeschichte – die archivierte Fassung ist bis heute auf archive.org abrufbar und wird sogar als Quelle im Wikipedia-Artikel zur Serie „Schwarz-Rot-Gold“ zitiert.
Seit der Veröffentlichung dieses Artikels hat sich einiges getan: Mittlerweile sind alle Folgen der Serie vollständig erschienen – sowohl auf DVD als auch im Streaming-Angebot von Amazon Prime Video verfügbar.
Eine Krimiserie der besonderen Art
„Schwarz-Rot-Gold“ war eine Kriminalserie der besonderen Art, die von 1982 bis 1996 vom NDR produziert wurde. Besonders deshalb, weil hier nicht – wie es der Fernsehzuschauer gewohnt war – Mord und Totschlag im Vordergrund standen, sondern die Auswüchse der Wirtschaftskriminalität.
Hier ermittelte kein eigenwilliger Kommissar mit seinem Faktotum, sondern der gewiefte Zollamtmann (später Zollamtsrat) Hans Zaluskowski – gespielt von Uwe Friedrichsen – und seine Kollegen der Zollfahndung.
Ein weiterer Aspekt, der diese NDR-Serie so besonders macht, ist ihr Realismus. Serienschöpfer Dieter Meichsner legte besonderen Wert darauf, die Inhalte getreu dem Motto „So viel Realismus wie möglich, so viel Kintopp wie nötig“ in Szene zu setzen.
Deshalb basieren alle 18 Episoden auf authentischen Fällen. Gerade diese Realitätsnähe führte schon bei der Erstausstrahlung zu Unterlassungsklagen und Skandalen – insbesondere um Folge 5 „Um Knopf und Kragen“, der ich mich in diesem Artikel widme.
Wirtschaftskriminalität statt Mordermittlung
Jede Folge der Serie behandelte ein spezielles Themengebiet. So ging es in der ersten Episode „Unser Land“ etwa um Steuerbetrug im Bereich der Mineralölsteuer.
Bezeichnend ist, dass es den Machern gelang, diese komplexen Themen nicht nur verständlich, sondern auch spannend und unterhaltsam aufzubereiten.
Unterstützt wurden sie dabei vom Zoll selbst, der beratend zur Seite stand – teilweise sogar durch die Beamten, die an den realen Fällen beteiligt waren.
Kein Wunder also, dass „Schwarz-Rot-Gold“ bis heute auch innerhalb der Zollbehörden Kultstatus genießt.
Folge 5: „Um Knopf und Kragen“
In der Episode „Um Knopf und Kragen“ mussten sich „Zalu“ und seine Kollegen mit dem Welttextilhandelsabkommen und dem innerdeutschen Handel befassen.
Das Abkommen beschränkte die Einfuhr von Textilien aus Billiglohnländern, um die heimische Industrie zu schützen.
Bei einer Kontrolle stoßen die Zollbeamten auf asiatische Schriftzeichen auf Kartons, die angeblich Hemden aus einem VEB in der Oberlausitz enthalten sollen. Der Verdacht liegt nahe, dass hier jemand das Welttextilhandelsabkommen umgeht – und sich zudem die Vergünstigungen des innerdeutschen Handels zunutze macht.
Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus: Die Hemden stammen aus Korea, werden in der DDR umetikettiert und anschließend als DDR-Produkte in die BRD eingeführt. Dadurch lassen sie sich zu Dumpingpreisen verkaufen, während heimische Betriebe das Nachsehen haben.
Die Ermittlungen führen zu einem internationalen Firmengeflecht, dessen Kopf Van Kampen (gespielt von Gregor Frenkel-Frank) in den Niederlanden sitzt. Zwar gelingt es Zaluskowski und seinem Team, die Hintermänner zu entlarven, doch Van Kampen selbst entkommt der Strafverfolgung. Immerhin – der Justiz gelingt ein Teilsieg: Van Kampen fürchtet am Ende der Folge so sehr die deutschen Behörden, dass er keinen Flug mehr bucht, der über deutsches Territorium führt.
Realismus statt Happy End
Dieser Teilsieg ist typisch für „Schwarz-Rot-Gold“: Die Zollfahnder klären zwar stets die Strukturen der Kriminalität auf, doch nicht immer gelingt es ihnen, alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen – ganz wie in der Realität.
Das unterscheidet die Serie von klassischen Krimis, in denen am Ende immer alles gut ausgeht.
Heute, mit verschärften Gesetzen und internationalen Abkommen, würde so mancher „Verbrecher in Nadelstreifen“, der Zaluskowski damals entwischte, wohl kaum ungestraft davonkommen.
Die „verbotene“ Folge
Bis vor wenigen Jahren bestand eine einstweilige Verfügung gegen die Folge „Um Knopf und Kragen“, die eine Wiederholung im Fernsehen und eine Veröffentlichung auf DVD verhinderte.
Deshalb fehlte sie auch auf der ersten „Schwarz-Rot-Gold“-DVD-Box (Mai 2009).
Der Hintergrund: In der Serie spielte eine fiktive „Firma Haupt“ eine zentrale Rolle im Betrugsfall – zufällig existierte in Lippstadt eine reale Bekleidungsfirma Haupt, die ebenfalls Hemden herstellte.
Nach der Erstausstrahlung wurde die echte Firma von Kunden auf den Fernsehbeitrag angesprochen, was schließlich zu der einstweiligen Verfügung führte.
Erst 2010, fast 26 Jahre nach der Ausstrahlung, kam es zu einer Einigung:
Unter der Bedingung, dass in der Folge ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass alle Personen- und Firmennamen frei erfunden sind, durfte sie wieder gezeigt werden. Seitdem ist sie auch auf der zweiten DVD-Box enthalten.
Gerüchte, Mythen und Klarstellungen
Die lange Sperre der Episode sorgte in Internetforen für allerlei Gerüchte – von wirtschaftlichem Druck bis zu angeblichen Politbüro-Seilschaften.
In Wahrheit war es schlicht eine unglückliche Namensgleichheit – keine Verschwörung, keine Zensur.
Mein besonderer Dank gilt damals Bernd Michael Fincke (NDR), Hans-Joachim Flüchter (Firma Haupt, Lippstadt) und Thore Vollert (Studio Hamburg) für ihre Auskünfte und Unterstützung bei der Klärung der Hintergründe.
Nachwort
Ich möchte nochmals ausdrücklich betonen, dass die in der Serie dargestellte „Firma Haupt“ und die Bekleidungsfirma Haupt aus Lippstadt nichts miteinander zu tun haben. Die Namensgleichheit war reiner Zufall.
Heute ist die Serie komplett erhältlich – sowohl als DVD-Edition als auch bei Amazon Prime Video.
Und wer sich für realistische, sachliche Krimikost jenseits der üblichen Mordermittlungen interessiert, sollte „Schwarz-Rot-Gold“ unbedingt (wieder) entdecken.