Mediathek-Tipp: Kohlrabenschwarz – Düster, deutsch, brillant

Endlich wieder etwas aus Deutschland, das aussieht, als hätte jemand nicht nur Budget, sondern auch Geschmack. Kohlrabenschwarz ist kein weiterer Schmunzelkrimi im bayerischen Wald – es ist der Wald. Dunkel, mystisch, eigen. Und dazu eine Serie, die das Unheimliche nicht als Effekt, sondern als Haltung versteht.

Ich mochte die Reihe schon als Hörspiel – diese Mischung aus Märchen, Mord und Moral, aus mythischem Grauen und konservativem Bajuwaristan. Und als die Serie dann auf Paramount+ ihre Premiere feierte, war ich ehrlich begeistert: selten so eine stimmige Adaption gesehen, die funktioniert.
Besonders bemerkenswert: Hörspiel-Cast und Serien-Cast sind nahezu identisch. Das ist keine Nebensächlichkeit, sondern der Grund, warum man sich als Hörer sofort heimisch fühlt. Dieselben Stimmen, dieselben Figuren – nur diesmal mit Gesichtern, Gesten und Gänsehaut in HD.
Tommy Krappwweis hat hier wirklich alles richtig gemacht, indem er die Charaktere schon für das Hörspiel so ausgesucht hat, dass sie auch optisch genau auf ihre Rollen passen, um diese auch vor der Kamera verkörpern zu können.

Und mittendrin: Michael Kessler.

Der darf hier endlich das tun, was man ihm viel zu selten erlaubt – spielen.
Nicht wie seinerzeit in Im Spessart sind die Geister los, wo ihn das Drehbuch auf Comedy-Diät setzte, sondern mit Wucht, Präzision und Tiefe.
Kohlrabenschwarz zeigt, dass Kessler sehr viel mehr kann, als ihm frühere Formate je zugestanden haben – und mehr, als mancher seiner TV-Kollegen je zeigen durfte.. Hier darf er ernst sein, ohne Pathos und nicht humorlos. Und das steht ihm ausgesprochen gut.

Auch die übrige Cast steht der Hauptfigur in nichts nach. Sie reicht vom etablierten Tatort-Komissar und Hörspielsprecher (Die drei ???) Axel Milberg bis hin zu Comedy-Urgesteinen wie Christian Tramitz und Esther Schweins, die beide längst bewiesen haben, dass sie eben nicht nur Lustig können.
Das ist übrigens überhaupt etwas, das man nicht oft genug betonen kann: es gibt viele gute und sehr gute Schauspieler, aber nur wenige, die auch das notwendige Gespür und Timing für soliden Humor besitzen.

Doch nicht nur das Schauspiel überzeugt: Tricktechnik, Color Grading und Pacing bewegen sich auf internationalem Niveau. Die Serie sieht schlicht fantastisch aus – in einem Ton, der zwischen Märchen, grauer Realität und Albtraum balanciert. Und wenn’s mal kracht, dann richtig: Die Gewalt der düsteren Märchengestalten wird teilweise mit einer Liebe zum Splatter inszeniert, die an den frühen Peter Jackson erinnert – im besten Sinne. Nicht weichgespült, sondern genau die richtige Mischung aus Ernsthaftigkeit, Rauheit und schwarzem Humor.

Die erste Staffel der Serie – produziert von Paramount – war eigentlich als Auftakt zu einer neuen Ära deutscher Genreserien gedacht. Doch dann zog der Konzern bei allen hiesigen Produktionen den Stecker.
Was blieb, war ein hochwertiges Stück Mystery, das plötzlich ohne Zuhause dastand – bis nun endlich die ARD beherzt zugriff.

Und das war eine glänzende Entscheidung. Denn was hier ab dem 28. Oktober in der ARD Mediathek (und im Free-TV) zu sehen ist, verdient Aufmerksamkeit, Anerkennung – und vor allem: Publikum.
Kohlrabenschwarz ist handwerklich stark, atmosphärisch dicht und erzählt mit einer Ernsthaftigkeit, die man im deutschen Fernsehen oft vergeblich sucht. Eine Serie, die beweist, dass wir nicht Hollywood kopieren müssen – weil wir es längst können, wenn man uns lässt.

Natürlich bleibt die Frage: Wie geht’s weiter?
Tommy Krappweis selbst schrieb mir dazu:

„Die Ausstrahlung im FreeTV und vor allem die ARD Mediathek ist eine tolle neue Chance, um neue potenzielle Fans zu finden. Schaumermal!“

Und genau das wird passieren. Kohlrabenschwarz wird neue Fans finden – viele.

Machen wir uns nicht vor: Streaming und Streamingdienste sind zwar die Gegenwart (ob sie auch die Zukunft sind, wird die Zeit zeigen), aber bei der Vielzahl der Streamingdienste verteilt sich natürlich auch das Publikum entsprechend. Viele werden die Erstausstrahlung auf Paramount+ vielleicht genau darum verpasst haben und können das jetzt kostenlos in einer öffentlich-rechtlichen Mediathek nachholen.

Die ARD täte gut daran, sich diese Produktion langfristig zu sichern.
Denn solche Serien sind selten. Und das Dunkle steht dem deutschen Fernsehen ausgesprochen gut.

ab 28. Oktober 2025:
KOHLRABENSCHWARZ in der ARD Mediathek
(Quelle: ARD Mediathek)

KOHLRABENSCHWARZ bei Audible
(Quelle: Audible)

Author: -th-

Jahrgang 1976, Musiker, Mentalist und Autor mit ausgeprägter Neigung zu sinnlosen Fakten und sinnvollen Meinungen. Lebt in Köln, ist aber keiner von dort – was ihm die Stadt erstaunlich wenig übelnimmt. Unverheiratet, aber in einer festen Beziehung mit Film, Serie und Hörspiel. Wenn er nicht auf Bühnen steht oder in Tastaturen hämmert, schwafelt er über Kabarett, alte TV-Schätze und die Welt im Allgemeinen – vorzugsweise bei einem gut gelaunten Kölsch. Hält sich selbst für witziger, als er tatsächlich ist, findet das aber völlig in Ordnung.

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