Köln, Chaos, Kommunikation – oder: Wie man Touristys vergrault, bevor sie den Dom sehen

Man stelle sich zwei Frauen aus Australien vor.
Große Rucksäcke, Jetlag, Brüssel im Kopf.
Sie stehen im Kölner Hauptbahnhof, blicken auf ihr Ticket, dann auf die Anzeigetafel – und sehen: nichts.
Ihr Eurostar nach Belgien erscheint nicht.
Die Abfahrt? Aachen.
Die Information? Fehlanzeige.

Zur Einordnung:
Der Kölner Hauptbahnhof ist seit Tagen planmäßig für den Fernverkehr gesperrt.
Grund: die zweite Ausbaustufe des elektronischen Stellwerks.
Seit Monaten bekannt, minutiös geplant, kommunikativ ein Totalausfall.
(Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger, 17.06.2023)

Während Einheimische über Instagram und Bahn-Newsletter informiert wurden, bleiben internationale Gäste ahnungslos.
Keine Warnung bei der Buchung, keine Mail, keine mehrsprachigen Durchsagen.
Wer kein Deutsch spricht, hat in Köln derzeit das Informationsniveau eines Blinden beim Dartspielen.

Das Tragische daran ist nicht, dass gebaut wird – sondern wie gebaut wird:
technisch perfekt, menschlich katastrophal.
Man könnte meinen, die Bahn hätte aus den letzten Kommunikationsdesastern gelernt.
Aber sie denkt weiterhin national, während ihre Kundschaft längst global reist.

Der WDR, unser aller öffentlich-rechtliches Gewissen, berichtet derweil über – Pendler.
Über Alessandra aus Bonn, die jetzt eine Stunde länger mit dem Auto fährt.
Über Catherine aus Düsseldorf, die doppelt so lange zur Arbeit braucht.
Über Thomas aus Bonn, der „sich tröstet mit einem Blick in die Zukunft“.
(Quelle: WDR, 17.11.2025)
Alles korrekt, alles brav, alles deutsch.

Nur: Kein Wort über die Reisenden aus Sydney, New York oder Brüssel.
Keine Zeile über internationale Gäste, die im vorweihnachtlichen Köln strandeten – ohne Info, ohne Orientierung, ohne englische Ansage.
Keine Frage, was das für eine Stadt bedeutet, die in diesen Wochen sonst Millionen Touristys anzieht.

Man könnte fast glauben, der WDR habe eine unsichtbare Schranke eingebaut:
Alles jenseits des Rheinlandes gilt als „nicht zuständig“.
Aber Köln ist eben kein Regionalbahnhof – es ist ein europäischer Knotenpunkt.
Und wer dort für eine Woche das Herzstück der Bahn stilllegt, der betrifft nicht nur Pendler, sondern halb Europa.

Ironischerweise erklärt das fast alles:
Die Bahn baut, als wäre Köln eine Betriebshalle in Bielefeld.
Der WDR berichtet, als säße er in der Kantine von DB Regio.
Und die Stadt, die sich gern mit „Weltoffenheit“ schmückt, schaut zu, wie Touristys mit Koffern durch Deutz irren.

Das Tragische daran ist nicht einmal der Aufwand – es ist die Haltung.
Man informiert die eigenen, nicht die anderen.
Man kommuniziert deutsch, nicht europäisch.
Und wundert sich dann, wenn Deutschland international den Ruf hat, effizient, aber empathiearm zu sein.

Köln wirbt mit Weltoffenheit, aber sobald die Bahn baut, endet die Kommunikation am Sprachrand.
Wer im Advent aus London, Sydney oder New York kommt, bekommt das hässlichste Deutschland zu sehen – das organisatorisch selbstzufriedene.

Author: -th-

Jahrgang 1976, Musiker, Mentalist und Autor mit ausgeprägter Neigung zu sinnlosen Fakten und sinnvollen Meinungen. Lebt in Köln, ist aber keiner von dort – was ihm die Stadt erstaunlich wenig übelnimmt. Unverheiratet, aber in einer festen Beziehung mit Film, Serie und Hörspiel. Wenn er nicht auf Bühnen steht oder in Tastaturen hämmert, schwafelt er über Kabarett, alte TV-Schätze und die Welt im Allgemeinen – vorzugsweise bei einem gut gelaunten Kölsch. Hält sich selbst für witziger, als er tatsächlich ist, findet das aber völlig in Ordnung.

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